Forschungsziele

Die Forschung hat über lange Zeit im Bereich der neuromuskulären Erkrankungen stagniert. Die Komplexität ihrer Entstehungsmechanismen und der Mangel an Forschungsgelder waren die Hauptgründe dafür. Ende der 80er Jahre hat sich diese Situation dank der Verfügbarkeit gentechnischer Verfahren und der durch Téléthon in Frankreich, in Italien und in der Schweiz gesammelten finanziellen Mittel entscheidend verbessert. In 3 Richtungen werden die Forschungsarbeiten vorangetrieben:

  • Identifizierung der krankheitsverursachenden Gene und deren Eiweissprodukte
  • Stammzelltherapie
  • Gentherapie

Dem im Süden von Paris etablierten Labor Généthon gelang es bereits 1993 ein erster Raster des menschlichen Erbgutes mittels DNA-Marker zu erstellen. Auf dieser Basis liessen sich bis heute über 9000 Gene identifizieren, deren Defekte (Mutationen) zu Erbkrankheiten führen. Die Entdeckung der einzelnen Gene, welche bei der Entstehung der neuromuskulären Erkrankungen eine Rolle spielen, hat das Verständnis der diesen zugrundeliegenden Krankheitsmechanismen gefördert und neue Wege zur Entwicklung von Therapien eröffnet.

Mittels Stammzelltherapie möchte man dem kranken Organismus normale Zellen zuführen, die die ausfallende Funktion übernehmen. Es konnte bereits gezeigt werden, dass die sogenannten Satellitenzellen, die Stammzellen der Muskeln, sich in vitro vermehren und zu Muskelfasern differenzieren. So besteht die Hoffnung, dass normale Satellitenzellen auch im Muskelgewebe eines Patienten funktionstüchtige Muskelfasern bilden. Die grosse Zahl der benötigten Muskelzellen und immunologische Abwehrreaktionen gegenüber den fremden Zellen sind noch Hürden, die zur Etablierung der Stammzelltherapie überwunden werden müssen. Tiere dienen als Modelle, um zu versuchen, ein besseres Einwandern der Satellitenzellen ins Muskelgewebe zu erzielen und die Schranken des Immunsystems zu überwinden.

Mittels Gentherapie will man ein normales Gen wie ein Medikament in die Zellen des Patienten einschleusen. Die das Gen repräsentierende DNA muss so in diese übertragen werden, dass dort ihre genetische Information umgesetzt wird. Dazu werden Überträgervehikel, sogenannte Vektoren, verwendet. Viren bieten sich als Vektoren an. Die sogenannten Adenoviren haben diesbezüglich viele Vorteile. Es zeichnen sich aber auch Probleme ab, da z.B. das Dystrophin-Gen, das bei der Muskeldystrophie Duchenne mutiert ist, so gross ist, dass es sich nicht einfach in ein solches Virus einpacken lässt, was Modifikationen des Gens nötig macht. Kürzlich gelang es einem Forscherteam von Genethon bei einem Mausmodell für die Muskeldystrophie Duchenne mittels einer neuen Form der Gentherapie Muskeln zu reparieren. Diese nennt man „Exon skipping“. In der Abschrift (RNA) des mutierten Gens wird das defekte Segment (Exon) herausgeschnitten, das dafür verantwortlich ist, dass kein Dystrophin gebildet wird. Als Folge des gentherapeutischen Eingriffs an der sogenannten RNA-Boten entsteht ein verkürztes, aber funktionstüchtiges Eiweiss. Eine verständliche (und unterhaltsame) Erklärung dieser Methode wurde von den Studenten der Universität Leiden in der Niederlande zusammengestellt und ist als Video abrufbar.

Zahlreiche weitere vielversprechende therapeutische Versuche sind in Entwicklung. So wird versucht, eine Aufregulierung des Utrophin-Gens bei der Muskeldystrophie Duchenne zu erzielen, das wegen seiner Ähnlichkeit mit dem Dystrophin dessen Aufgaben übernehmen könnte.